Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Fritz Hirschberg
1888 - 1963

Dr. med. Fritz Hirschberg, 1950er Jahre in Norwegen © Norwegische Zeitung Billedjournalen Nr. 11 vom 21. Dezember 1959
Dr. med. Fritz Hirschberg, 1950er Jahre in Norwegen © Norwegische Zeitung Billedjournalen Nr. 11 vom 21. Dezember 1959

Mitglied seit 1926

Nach dem Novemberpogrom 1938 Inhaftierung im Konzentrationslager Sachsenhausen

Enge Kooperation mit Ismar Boas in dessen Berliner Privatklinik

Archiv für Verdauungs-Krankheiten 1925
Archiv für Verdauungs-Krankheiten 1925
Fritz Hirschbergs Publikation im Exil mit Widmung für die Hilfe bei der Flucht, 1941, Archiv H Je
Fritz Hirschbergs Publikation im Exil mit Widmung für die Hilfe bei der Flucht, 1941, Archiv H Je
Bescheinung der Gesandtschaft der Bundesrepublik Deutschland in Norwegen, 1952, Quelle:
Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte
Bescheinung der Gesandtschaft der Bundesrepublik Deutschland in Norwegen, 1952, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte

Dr. med. Fritz Hirschberg

  • 0‌6‌.‌1‌2‌.‌1‌8‌8‌8‌, Potsdam
  • 1‌7‌.‌0‌5‌.‌1‌9‌6‌3‌, Oslo
  • Mitglied seit 1926
  • Geflohen 1939, Norwegen
  • Berlin
  • Niedergelassener Facharzt für Magen-, Darm-, und Stoffwechselkrankheiten

Fritz Hirschberg wurde am 06.12.1888 als Sohn des Kaufmanns Wilhelm Hirschberg und seiner aus Magdeburg stammenden Ehefrau Meta, geborene Katzmann, in Potsdam geboren. Der bekannte Berliner Augenarzt und Wissenschaftler Julius Hirschberg war Fritz Hirschbergs Onkel.

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Hirschberg studierte in Berlin, Würzburg und Heidelberg Medizin. Dort wurde er 1913 promoviert. Die Approbation erfolgte im August 1914.

Von 1925/26 bis 1938 war Hirschberg in der Berliner Privatklinik für Magen- und Darmkrankheiten von Ismar Boas in der Trautenaustraße tätig. Daneben führte er eine gastroenterologische Facharztpraxis. Hirschberg gehörte zum engeren Kreis der Schüler und Freunde um Ismar Boas.

Während seiner Tätigkeit in der „Boas-Klinik“ in der Trautenaustraße führte er regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen in seinem Fachgebiet über Magen- und Darmkrankheiten durch. Daraus entstand im Exil in Norwegen „Diagnostik und Therapie der Magen- und Darmkrankheiten in zwölf Vorlesungen“, 1941 im Kopenhagener Verlag von Ejnar Munksgaard publiziert.

Archiv für Verdauungs-Krankheiten 1925
Archiv für Verdauungs-Krankheiten 1925

Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde Hirschberg vorübergehend im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert.

 

1939 Flucht nach Norwegen

Nach der Entlassung aus dem Konzentrationslager floh Fritz Hirschberg am 22.01.1939 mit großer Hilfe durch den Reedereibesitzer Thomas Olsen nach Oslo, Norwegen. Am 25.05.1939 konnte Hirschberg seine 73-jährige Mutter, Meta Hirschberg, aus Potsdam ebenfalls mit Olsens Unterstützung nach Norwegen nachholen. Hirschberg war zunächst als Assistent bei dem norwegischen Arzt Per E. Giertsen tätig, bevor er eine eigene Praxis eröffnete.

Am 09.04.1940 überfiel die Deutsche Wehrmacht Norwegen. In den folgenden zwei Jahren waren die aus Deutschland geflohenen Juden sowie die norwegische jüdische Bevölkerung zunehmender Verfolgung ausgesetzt. Im Januar 1942 begannen die Behörden mit der systematischen Registrierung der in Norwegen lebenden Juden, die sich mit einem „J“ in ihren Ausweispapieren kennzeichnen lassen mussten.

Fritz Hirschbergs Publikation im Exil mit Widmung für die Hilfe bei der Flucht, 1941, Archiv H Je
Fritz Hirschbergs Publikation im Exil mit Widmung für die Hilfe bei der Flucht, 1941, Archiv H Je

 

Flucht nach Schweden 1942

Im November 1942 wurde Hirschbergs inzwischen 77-jährige Mutter von der GESTAPO verhaftet und am 26.11.1942 mit der D/S Donau zunächst nach Stettin und von dort mit dem Zug nach Auschwitz deportiert und kurz nach der Ankunft am 01.12.1942 ermordet.

Fritz Hirschberg, der seit Ende Oktober 1942 im Untergrund lebte, konnte Ende November 1942, vier Tage nach der Deportation seiner Mutter, mit Unterstützung norwegischer Widerstandskreise mit einer Flüchtlingsgruppe nach Schweden gelangen. Nach der Befreiung Norwegens kehrte er im November 1945 nach Norwegen zurück und eröffnete 1946 erneut eine Praxis in Oslo.

Hirschbergs Praxisanschrift in Oslo in den 1950er Jahren, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte
Hirschbergs Praxisanschrift in Oslo in den 1950er Jahren, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte
Unterschrift mit Stempel 1951, Quelle: 
Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte
Unterschrift mit Stempel 1951, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte

In den 1950er Jahren wurde Hirschberg in Norwegen durch Zeitungsbeiträge mit Ernährungsempfehlungen bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden öffentlich bekannt.

Bescheinung der Gesandtschaft der Bundesrepublik Deutschland in Norwegen, 1952, Quelle:
Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte
Bescheinung der Gesandtschaft der Bundesrepublik Deutschland in Norwegen, 1952, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte
Fritz Hirschberg, 1950er Jahre in Norwegen © Norwegische Zeitung Billedjournalen Nr. 11 vom 21. Dezember 1959
Fritz Hirschberg, 1950er Jahre in Norwegen © Norwegische Zeitung Billedjournalen Nr. 11 vom 21. Dezember 1959

Seit 1946 publizierte er mehrfach in Gastroenterologia, dem vormaligen Archiv für Verdauungs-Krankheiten („Boas-Archiv“).

Gastroenterologia 1947; 72:125-34, Archiv H  Je
Gastroenterologia 1947; 72:125-34, Archiv H Je
Gastroenterologia 1953; 79:16-26, Archiv H Je
Gastroenterologia 1953; 79:16-26, Archiv H Je

Hirschberg verlor im Holocaust neben seiner Mutter seine Tante Auguste Zöllner, Potsdam, die hochbetagt im Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde und dort 91-jährig im Ghetto starb.

Fritz Hirschberg starb 74-jährig am 17.05.1963 in Oslo.

Grabstätte der Familie Hirschberg, Jüdischer Friedhof Potsdam, Foto: H Je, 2022
Grabstätte der Familie Hirschberg, Jüdischer Friedhof Potsdam, Foto: H Je, 2022

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Beiträge zur Lehre vom Sodbrennen. Arch Verdauungskr 1925; 35: 72-89
  2. Der praktische Wert der quantitativen Pepsinbestimmung im Mageninhalt. Arch Verdauungskr 1928; 43: 211-19 (Ismar Boas zum 70. Geburtstag)
  3. Diagnostik und Therapie der Magen-Darmkrankheiten. Zwölf Vorlesungen. Kopenhagen: Verlag von Ejnar Munksgaard 1941
  4. Untersuchungsbefund und Symptomatologie bei einigen Abdominalerkrankungen. Gastroenterologia 1947; 72: 125-134
  5. The dumping syndrome, hypoglycemia and jejunitis Gastroenterologia 1953; 79: 16-26
Danksagung

Für wertvolle Details zur Biographie Fritz Hirschbergs in Norwegen sowie den Hinweis auf den Zeitungsartikel in der norwegischen Zeitung Billedjournalen sei dem norwegischen Historiker Bjarte Bruland gedankt.

Im Rahmen der Recherche zur Biographie Hirschbergs wurde erstmals das Schicksal seiner Mutter beleuchtet. In diesem Kontext wurde die Verlegung eines Stolpersteins zur Erinnerung an Meta Hirschberg in Potsdam angeregt.

Die Stolpersteinverlegung zur Erinnerung an Meta Hirschberg wurde am 19. Mai 2022 in der Jägerallee 7, Potsdam, realisiert. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Potsdamer Bertha-von-Suttner-Gymnasiums begleitete die Aktion und hatte zum Leben Meta Hirschbergs ausführlich recherchiert.

Stolperstein für die Mutter Fritz Hirschbergs, verlegt am 19. Mai 2022, Jägerallee 7, Potsdam. Foto: Pauline Klebe
Stolperstein für die Mutter Fritz Hirschbergs, verlegt am 19. Mai 2022, Jägerallee 7, Potsdam. Foto: Pauline Klebe

Quellen und Literatur
zu den Quellen
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Dr. med. Fritz Hirschberg

Verzeichnis der Quellen

  • Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin. Abt. I. Entschädigungsbehörde. Entschädigungsakte Dr. Fritz Hirschberg. Berlin. Nr. 61042
  • Hirschberg, F. Dissertation. Heidelberg 1913
  • Reichsmedizinalkalender 1933. Digitale Sammlung der ZB Medizin – Informationszentrum für Lebenswissenschaften. Im Internet: https://digital.zbmed.de/medizingeschichte/periodical/structure/4948689
  • Reichsmedizinalkalender 1937. Digitale Sammlung der ZB Medizin – Informationszentrum für Lebenswissenschaften. Im Internet: https://digital.zbmed.de/medizingeschichte/periodical/structure/4948689

Verzeichnis der Literatur

  • Bruland B. Holocaust in Norwegen. Registrierung, Deportation, Vernichtung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Verlag; 2019: 398+483
  • Hirschberg F. Diagnostik und Therapie der Magen-Darmkrankheiten (Widmung und Vorwort). Zwölf Vorlesungen. Kopenhagen: Ejnar Munksgaard Verlag; 1941
  • Schoppmann C. Das war doch jenseits jeder menschlichen Vorstellungskraft. Hilfe für verfolgte Juden im deutsch besetzten Norwegen 1940-1945. Berlin: Lukas-Verlag; 2016: 156-173
  • Schwoch R. [Hg] Berliner Jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch. Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag 2009: 359

Verzeichnis der Weblinks